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Fisheye für Canon-R, Nikon-Z, Sony-E ...

Nach dem Vollformat Fullframe f2,8/11mm bringt der Hersteller Mingjiang Optical („TTArtisan“) in Shenzhen, China mit dem f2,0/7,5mm Fisheye sein zweites hoch interessantes Fisheye für spiegellose Systemkameras auf den Markt und bietet damit dem beliebten Samyang f2,8/8mm aus Korea und dem ebenfalls chinesischen 7artisans f2,/7,5mm Paroli. 

3 KandidatenAlle drei Objektive verzichten auf Autofokus und Offenblendenmessung, funktionieren also rein mechanisch. Das sind eigentlich Fullframes für spiegellose APS-/C-Kameras, also für die Fuji-X oder die Sony A6k/NEX.
Aber Mingjiang Optical hat offenbar als erster Hersteller von Fisheyes begriffen, daß solche Objektive vorwiegend für Panoramafotografie eingesetzt werden und dann auch gerne an einer Vollformatkamera. Daher wird das kleine TTArtisan gleich für die volle Bandbreite der Spiegellosen von MFT über APS-/C bis Vollformat auf den Markt gebracht. Am Vollformatsensor ist das Objektiv dann ein Portrait-Fisheye.
In Amazon ist das Objektiv aktuell mit MFT-Bajonett, Fuji X-Mount, Canon RF-Mount, Nikon Z-Mount und Sony E-Mount deutlich unter 200€ (!) gelistet. Laut Herstellerangaben ist es auch mit L-Bajonett und Canon EF-M-Mount lieferbar.

Was für ein Angebot - und eine klare Kampfansage an Samyang und 7artisans !

 Im Folgenden habe ich einige Kennwerte für die 3 Linsen gegenübergestellt.

  Samyang
f2,8/8mm V2
7artisans f2,8/7,5mm TTArtisan f2,0/7,5mm
Projektion stereographisch stereographisch exakt flächentreu
Fisheye-Faktor PTGUI ≈ 0,38 ≈ 0,36 -0,50000
tatsächliche Brennweite 8,2 mm 8,2 mm 10,3 mm
nutzbarer Bildkreisdurchmesser ≈ 30 mm ≈ 30 mm ≈ 30 mm
Bildwinkel ≈ 180° ≈ 180° > 180°
Fokus manuell, Innenfokussierung manuell, konventionell manuell, konventionell
max. Durchmesser 60 mm 63 mm 72 mm
Masse 283g  (X-mount) 271g  (E-mount) 345g  (E-mount)
Sonnenblende fest verbaut geschraubt & verklebt fest verbaut
Verwendung am Vollformat nach Rasur Sonnenblende entfernen keine Einschränkung
FX-Mounts Sony-E Sony-E Canon-R, Nikon-Z, Sony-E, L-mount

Beim Auspacken des TTArtisan fallen sofort der große Frontdurchmesser und das Gewicht auf. Seine Frontlinse ist vergleichsweise schwach gewölbt.
Die Verarbeitung des Objektivs ist augenscheinlich hervorragend. Außer der hinteren Objektivkappe konnte ich keinen weiteren Kunststoff ausmachen. Fokusring und weich rastender Blendenring laufen geschmeidig. Im Gegensatz zum Samyang fokussiert das TTArtisan konventionell. Die Länge des Tubus variiert allerdings nur minimal (1,8mm) über den gesamten Fokusbereich, der mit einer 90° Drehung am Fokusring durchfahren wird. 
Das Objektiv mit E-Mount sitzt straff und spielfrei im Bajonett der Sony A7.

lange Tulpe beim Samykurze Sonnenblende beim TTArtisanDas Samy hat eine lange Tulpe als Sonnenblende. Bevor man das f2,8/8mm Samyang sinnvoll an der Sony A7 einsetzen kann, muss es daher zum Barbier. Panoramafotografen aus ganz Europa schicken deshalb ihr f2,8/8mm Samyang mit E-Mount zu Tobias Vollmer (360pano.de) zur Rasur. Tobias entfernt dann routiniert die Sonnenblende, so dass das Objektiv sinnvoll an der Sony A7 Vollformatkamera eingesetzt werden kann. 
Samyang hat es aber bislang versäumt, sein beliebtes kleines "Achter" mit weiteren Anschlüssen auszustatten oder gar für die Vollformat-Spiegellosen zu modifizieren. Es scheint, dass Samyang ähnlich wie seinerzeit Sigma nicht wirklich begriffen hat, wie die Fisheye-Objektive eingesetzt werden.

flache Sonnenblende
Mingjiang Optical ist da offenbar besser informiert und handelt konsequent. Beim TTArtisan ist keine Rasur erforderlich und das Objektiv ist für alle Vollformat-Spiegellosen verfügbar !  
Das Objektiv ist out-of-the-box an allen Vollformat-Spiegellosen ein Portrait-Fisheye. Das allein schon macht das TTArtisan f2,0/7,5mm zum attraktiven Panoramaobjektiv an der Canon-R, der Nikon-Z und der Sony A7. 

Bildkreis und Crop in PTGUIBei dem Preis ist die Linse daher ein "no-brainer" für jeden ambitionierten Panoramafotografen, der eine dieser Kameras hat. Für alle, die an Ihrer Nikon-DSLR ein rasiertes 10,5mm-Nikkor nutzten und inzwischen auf die Nikon-Z umgestiegen sind, ist das kleine TTArtisan geradezu ein MUSS.
Ähnliches gilt für die Canon R-Nutzer, für die es als Alternative nur ein adaptiertes, kopflastiges DSLR-Fisheye gäbe.
Nur den Sony A7-Fotografen steht als Alternative das kleine Samyang zur Verfügung - aber nur nach der Rasur !

Wie nicht anders erwartet, ist die Brennweitenangabe „7,5mm“ wieder eine völlig irreführende Hausnummer, gerade so wie beim 11mm TTArtisan. Aber damit ist meine Kritik an der Linse auch schon abgeschlossen. 

Die Linse weist eine exakte flächentreue Projektion auf: r=20,5mm*sin(a/2). Die tatsächliche Brennweite beträgt 10,25mm. Der 180° Bildkreisdurchmesser beträgt f•√8, also 29,0mm.
Der tatsächliche Bildkreisdurchmesser beträgt ähnlich wie beim Samyang und dem 7artisans ca. 30mm. Das TTArtisan schielt also einen Tick nach hinten, liefert also >180° Bildwinkel.
(Der Kenner erkennt das bereits auf dem 3. Foto oben !).
Das TTArtisan hat den für die flächentreue Projektion typischen, ausgeprägten winkelabhängigen NPP-Gang. Beim Samy mit der stereographischen Projektion ist er weniger ausgeprägt. Dieser Punkt geht daher an Samyang.

Natürlich erwartet man von der Linse auch eine hohe Abbildungsqualität. Ich habe bislang nur eine einzige Aufnahmenserie beurteilen können - und diese ist tadellos, auch hinsichtlich CA. Die geringe Streulichtempfindlichkeit der Samys zu toppen, dürfte die Herausforderung für das TTArtisan sein. Denn die UMC-Vergütung der Samyang-Linsen setzt den Benchmark.
Jedes Objektiv ist ein Einzelstück mit individuellen Toleranzen aus einer Serienfertigung.
Daher möchte ich hier keine pauschalen Aussagen über die optische Qualität des Objektivs treffen. Aber die Panorama-Community wird sicher bald ein repräsentatives Urteil fällen.

am KISSDas mehr als preiswerte Objektiv ist in Kombination mit jeder der Vollformat-Spiegellosen am KISS Panoramasystem ideal. Genauso lässt sich der SLANT NPA verwenden. In beiden Fällen lässt sich aus nur 4 Aufnahmen single-row die volle Sphäre mit ein paar Mausklicks in PTGUI stitchen. Zenit und Nadir sind dann bei horizontaler optischer Achse zuverlässig komplett geschlossen. 

Keep it simple, stupid !    Genial einfach - einfach genial !

Natürlich ist das Objektiv auch an der spiegellosen APS-/C-Kamera sinnvoll einzusetzen.
An der Fuji-X, der Nikon Z50 oder der Sony A6x00 ist das Objektiv ein Fullframe Fisheye mit (rechnerisch) 174° diagonalem Bildwinkel. Dann sind 8 Aufnahmen für die volle Sphäre am SLANT NPA erforderlich. Sobald ich Gelegenheit habe, werde ich das Objektiv an der X-T4 mit dem 8er Samy vergleichen.

Am MFT-Sensor macht die Linse m.E. weniger Sinn. Ein diagonaler Bildwinkel von 122° und eine Fisheye-typische Verzeichnung ist nichts Halbes und nichts Ganzes.
Da greift man doch eher zum 7,5mm Samyang MFT-Fullframe, das dann auch tatsächlich 7,5mm Brennweite hat.

Zum Schluß muss ich doch noch ein Gimmick des 7,5mm TTArtisan erwähnen: Der vordere Objektivdeckel ist zweigeteilt. Man kann den Innenteil herausschrauben und erhält dann bei aufgesetztem "Deckel" am Vollformat ein kreisrundes Bild mit ca. 24mm Durchmesser und 140° Bildwinkel. So mutiert das Objektiv also zum zirkularen Fisheye am Vollformat.
Auch beim legendären 8er Sigma habe ich mich schon immer gefragt, ob irgend jemand sowas braucht.

Nachtrag (Jan 22): Justierung der ∞-Einstellung
Mehrere Kunden haben mich darauf hingewiesen, dass die unendlich-Einstellung des TTArtisan nicht stimmt. Tatsächlich war das bei meinem Objektiv auch so. Der Fokus für ∞ lag bei der 0,5m-Gravur des Fokusrings. Das "Problem" ist auch von einigen manuellen Linsen anderer Hersteller bekannt und meistens leicht zu beheben. Der Fokusring ist beim TTArtisan mit 3 kleinen Schlitzschrauben fixiert. Sie erkennen eines dieser Schräubchen im Bild hier.
Zur Justierung stellt man das Objektiv an der Kamera bei ganz geöffneter Blende mit Hilfe der Fokuslupe auf unendlich scharf. Dann löst man die 3 kleinen Schräubchen mit einem sehr feinen Schlitz-Schraubendreher (Klingenbreite 1mm) und dreht dann den Fokusring auf unendlich - natürlich ohne die Fokussierung zu verändern. In dieser Position fixiert man den Ring mit den 3 Schräubchen wieder. ABER mit Fingerspitzengefühl !!!

Nachtrag Juli 22: Kundenfeedback zu Qualitätsproblemen mit TTArtisan-Objektiven
Viele unserer Kunden haben in den letzten Monaten ein 7,5mm bzw 11mm TTArtisan-Fisheye gekauft - nicht zuletzt aufgrund der Beschreibungen und durchweg positiven Bewertung dieser Linsen hier im Blog auf der PT4Pano Homepage.
In den letzten Wochen, bekamen wir gleich von mehreren dieser Kunden Feedback, wo sie ihre Enttäuschung über die schlechte Qualität der TTArtisan Fisheyes kundtun. 
Meine eigenen, guten Erfahrungen mit zwei TTArtisan-Objektiven an der Fuji-X und das überwiegend positive Feedback der Kunden sind nicht im Einklang mit diesen zweifelsfrei glaubhaften Mängelberichten aus jüngster Zeit.
Bei chinesischen Herstellern überrascht eine große Serienstreuung nicht. Wir hatten das ja in den ersten Generation südkoreanischer Objektive auch gesehen. Aber durch eine normale Serienstreuung ist die o.g. Anhäufung wohl nicht zu erklären. Dass es sich bei Billigangeboten in ebay oder Amazon oft um B-Ware und Kundenrückläufer des Fachhandels handelt, ist bekannt. 

Kommentare

Zum Screenshot im Text, der den Bildkreis und den Auschnitt des 7,5mm TTartisan zeigt, gibt es hier das fertige Panorama https://panorama-blog.com/beispiele/schuetzen-kirche und hier einen kleinen Blogbeitrag (https://panorama-blog.com/blog/neues-fisheye-von-ttartisan-7-5-mm-f2) von meiner Seite zu dieser sehr interessanten Linse, die ich mittlerweile auch schon erfolgreich bei kommerziellen Projekten eingesetzt habe.

Selten starte ich mit einem solchen Dankeschön: Herr Hopf, Ihre Technik (ich nutze von Ihnen David KISS, Slant), Ihr Support, Ihr Blog begeistern und inspirieren mich!

Ein weiterer Glücksfall: Ein Gebäude in der eigenen Stadt zu haben, was - erst recht durch sein imposantes Treppenhaus – zu den eindrucksvollsten gehört, die man sich vorstellen kann: Das Landgericht Halle, der ehemalige Justizpalast. Es entstand in preußischer Architektur in den Jahren 1903-1905. Dessen Treppenhaus wurde vor knapp 10 Jahren komplett renoviert – es entstand ein Innenraum, der einem wirklich die Sprache verschlägt (aufgenommen noch mit dem TTartisan 11mm + Canon EOS R5 + Slant):

https://flic.kr/p/2kZMkej (Auf meiner Flickr Seite findet man noch ein paar mehr Bilder dieses prächtigen Gebäudes.)

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Durch Herrn Hopfs obige Vorstellung des geradezu winzigen TTaritsan 7,5mm inspiriert, musste ich das Objektiv natürlich an meiner Canon EOS R5 testen. Ungemein praktisch: Es kommt mit RF Mount und benötigt daher - wie auch das TTartisan 11mm - keinerlei EF-RF-Adapter.

Im Gegensatz zum TTartisan 11mm benötigt man hier lediglich nur 4 Aufnahmen für ein vollsphärisches Panorama. PTGUI kennt dieses Objektiv und macht wie immer einen grandiosen Job. Auch die „blaue Vignette“ des Objektivs lässt sich in PTGUI optimal abschneiden, sodass sie nicht stört.

Und nun ein vollsphärisches und interaktives Panorama, aufgenommen mit dem TTartisan 7,5mm (für dieses Panorama nahm ich ein fünftes Bild als Bodenbild auf):

https://kuula.co/share/NX8Ng?logo=0&info=1&fs=1&vr=0&sd=1&thumbs=1

Nun darf man staunen und genießen – am besten übrigens mit Smartphone oder Tablet. Hält man das Smartphone nach oben oder unten, sieht man an die Decke oder auf die Treppe – und Zoomen klappt außerdem. Das ist wirklich großes Kino!

Kurz und gut: Natürlich behielt ich das TTartisan 7,5mm. Trotz APS-C Format funktioniert es an der vollformatigen EOS R5 bestens und ist scharf über das gesamte Bild. Das Zusammenspiel mit David + KISS + EOS R5 mit TTartisan macht Spaß und klappt absolut zuverlässig.

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